Modul 3: Pflanzenporträts
Vogelmiere
Stellaria media // Chickweed
Die Pflanze wird auch Vogelkraut genannt, da die Samen und das Kraut sehr gerne von Kanarienvögeln, Hühnern und Gänsen gefressen werden. Auch im Englischen besteht der Bezug zum Huhn; dort wird die Vogelmiere als „chickweed“ bezeichnet.
Die unscheinbare Gewöhnliche Vogelmiere gehört zur Familie der Nelkengewächse. Sie kann sich jedoch nicht mit dem intensiven Duft der Nelken und deren knalligen Farben messen. Vielleicht hat sie deshalb die Gabe entwickelt sich selbst zu bestäuben, wenn die Insekten aus irgendeinem Grund diese Arbeit nicht verrichten wollen. Sie kann die Stempel ihrer Blüten so weit krümmen, bis diese die Pollenschläuche erreichen – ganz nach dem Motto „selbst ist die Frau“.
Die Vogelmiere ist eine kleine Wetterstation: Man muss nur am Morgen gegen 9.00 Uhr einen Blick auf Ihre Blüten richten um zu wissen, ob man die Regenjacke mitnehmen soll oder nicht. Bei schönem Wetter bleiben die Blüten bis am Abend geöffnet und drehen ihre zarten Köpfchen direkt der Sonne zu. Wenn Regenwetter naht, bleiben sie geschlossen.
Beschreibung / Botanik
Der lateinische Name „Stellaria media“ bedeutet „ Sternchen“. Wenn man die nur Millimeter großen Blüten des kleinen Sonnenmelders genau betrachtet, kann man gut nachvollziehen, woher dieser Name stammt. Die tief gespaltenen Blütenblätter sehen aus wie ein zehnstrahliger Stern, der vom Himmel gefallen ist, um sich auf der Erde auszuruhen. Man erkennt in seiner Mitte drei Griffel, fünf bis zehn Staubblätter mit violetten Staubbeuteln. Die Blüte wird nur einige Millimeter groß und besteht aus fünf großen bewimperten Kelchblättern sowie fünf weißen lanzettlichen Kronblättern. Letztere sind bis zum Ansatz tief eingeschnitten, sodass der Eindruck entsteht es wären zehn, ein zehnstrahliger Stern.
Die fleischigen, sattgrünen Blätter der Vogelmiere sind etwa ein bis zwei Zentimeter groß, eiförmig zugespitzt und reihen sich paarweise gegenständig entlang des verzweigten bis zu vierzig Zentimeter langen Stängels.
In kalten Nächten faltet die Sternenmutter, wie ein liebender Vater oder eine fürsorgliche Mutter, ihre Blätter über die schnell wachsenden, empfindlichen Triebe und schützt sie vor Regen oder Schnee. Bei diesem Bild muss ich immer an eine zärtliche, liebevolle Umarmung denken. Viele Menschen verzichten leider viel zu oft auf das wunderschöne Gefühl der Geborgenheit und der Nähe, die eine Umarmung erzeugt. Das Nelkengewächs gibt uns das Gefühl umsorgt und beschützt zu sein. Die Gattung Stellaria beherbergt einhundertzwanzig bis zweihundert verschiedene Arten, wovon etwa achtzehn in Europa heimisch sind. Verwendbar sind sie alle, aber die Vogelmiere schmeckt mir am allerbesten.
Ein wichtiges Merkmal der Gewöhnlichen Vogelmiere ist eine deutliche einreihige Behaarung am Stängel, die sogenannte Haarlinie, worüber die Pflanze zusätzlich Wasser aufnehmen kann. Liebevoll wird sie deswegen auch der „Punker“ unter den verschiedenen Mierearten genannt.
Wenn man den runden dünnen Stängel vorsichtig auseinander reißt, sieht man, dass er im Inneren wie durch einen darmähnlichen Strang verbunden ist. Es ist ein innerer Gefäßbündelstrang, der nicht bricht und sehr stabil ist. Aus diesem Grund wird die Vogelmiere im Volksmund oft Hühnerdarm oder Mäusedarm genannt. Im Überlebenstraining könnte man versuchen, diesen gummiartigen Faden als Zahnseide zu benutzen so schön elastisch ist er.
Die einreihige Haarreihe der Gewöhnlichen Vogelmiere (Stellaria media) unterscheidet sie von anderen Mierearten, wie zum Beispiel der Großen Sternmiere (Stellaria holostea), bei der die weißen Blüten allerdings auch etwas größer sind.
Auch einige Hornkrautarten ähneln der Vogelmiere wie das Acker-Hornkraut (Cerastium arvense) oder das Knäuel-Hornkraut (Cerastium glomeratum), aber weder Hornkräuter oder andere Mierearten besitzen den feinen Haarstreifen am Stängel. Lediglich die sehr nah verwandte Großblütige Vogelmiere (Stellaria neclecta) besitzt die gleiche Behaarung. Aber keine Sorge alle Doppelgänger sind ungiftig.
Es gibt allerdings eine Verwechslungsgefahr, die zwar nicht giftig, aber unverträglich ist: Der Acker-Gauchheil (Anagallis arvensis) besiedelt nämlich den gleichen Lebensraum, auch wenn er nur selten vorkommt. Er sieht allerdings nur vor der Blüte ähnlich aus, denn später bildet er rote oder blaue Blüten und er besitzt auch keine einreihige Stängelbehaarung.
Vorkommen / Jahreszeit
Stellaria media wächst das ganze Jahr über. Bei milder Witterung blüht sie auch im Winter und spitzt aus dem Schnee hervor. Ihr genügt das Licht der tief stehenden Wintersonne, um Photosynthese zu betreiben, zu wachsen, Blüten zu bilden und für die Fortpflanzung zu sorgen. Die Vogelmiere treibt meist schon im Februar ganz üppig in meinen Balkonkästen, obwohl ich sie dort nie angepflanzt habe. Unkräutlein wissen eben wer sie mag!
Die Vogelmiere ist eine Zeigerpflanze für nährstoffhaltige feuchte Böden im Garten, auf Gemüseäckern und an Wegrändern. Sie kann bis zu fünfzehntausend winzig kleine braune Samen nach der Befruchtung ausbilden, so ist es nicht verwunderlich, dass sich schnell kleine Miereteppiche ausbilden. Diese eignen sich wunderbar als Bodendecker, um die Erde vor dem Austrocknen zu schützen. Bei Gärtnern wird das Sternenkind leider oft als lästiges Unkraut bezeichnet. Statt sich über dieses unverwüstliche und gleichzeitig so schmackhafte Kraut zu ärgern, sollten wir es ernten und verzehren. Es überdeckt den Boden der brachliegenden Beete wie ein Pflaster, bietet Schutz für die humusbildenden Kleinlebewesen und hilft den Boden zu heilen. Deshalb gehört es auch in jeden gesunden Garten.
Die kleinen Samen bleiben bis zu 60 Jahre keimfähig und warten nur auf den richtigen Augenblick, um zu keimen. Was ich persönlich an der zarten Pflanze ganz besonders bewundere, ist ihre unbeschreibliche Ausdauer und Lebenskraft. Wir können von diesem kleinen Pflanzenwesen lernen, geduldig zu sein und zu warten bis der richtige Moment kommt, in dem unsere Ideen und Lebensträume in Erfüllung gehen können.
Die Wurzeln der Vogelmiere sind sehr zart und sie wurzelt nicht tief. Das Wasser saugt sie nicht nur mit den Wurzeln, sondern nimmt es auch durch ihre feinen Härchen mit dem Tau auf.
Wurzeln, ein Thema, das mich, je älter ich werde, immer wieder beschäftigt – sie sind unser Ursprung und geben uns Halt. Sehr kräftige Wurzeln machen uns jedoch oft unbeweglich und zwingen uns an einem Ort zu bleiben, auch wenn die Stimme des Herzens nach einer Veränderung ruft. Meine Wurzeln gleichen denen der Vogelmiere. Sie geben mir das Gefühl der Verbundenheit mit der Erde, halten mich aber nicht fest.
Inhaltsstoffe
Im Gegensatz zu anderen kraftvollen Heilkräutern ist die Vogelmiere noch recht wenig untersucht. Dank einiger chinesischer und indischer Studien ist jedoch ein kleiner Teil der Inhaltsstoffe entschlüsselt. Sicher birgt sie noch viele Geheimnisse in sich, da gibt es noch viel zu forschen.
Die krautige Pflanze ist ein wertvoller Lieferant von Mineralstoffen und Vitaminen. 150 Gramm Vogelmiere liefern den gesamten Tagesbedarf an Eisen, Kalium und Vitamin C. Zusätzlich sind Schleimstoffe, Flavonoide (zum Beispiel Rutin und deren Derivate), Phytosterole, Saponine, Fettsäuren (Linolsäure und Gamma Linolensäure), Kieselsäure, Magnesium, Calcium und Provitamin A enthalten.
Gesundheitliche Wirkungen
Das aufpeppende Kraftpaket schmeckt nicht nur gut, es ist zudem ein starkes Heilkraut, was man dieser zarten Pflanze gar nicht ansieht.
Während der Blüte im Frühjahr hat sie jedoch die höchste Wirkstoffkonzentration.
- Frühjahrsmüdigkeit – Ihr hoher Gehalt an Kalium, Eisen sowie den Vitaminen A und C kann erfolgreich gegen die Frühjahrsmüdigkeit eingesetzt werden. Der Körper wird gereinigt, die Lymphe entschlackt und die Nierentätigkeit angeregt. Ich verwende diese Delikatesse am liebsten frisch von der Hand in den Mund genascht bei meinen Spaziergängen.
- Husten- und Schleimlösend – Die schleimlösenden Triterpen-Saponine lösen festsitzenden Schleim bei Husten in den Atemwegen. Eine tolle Husten- und Bronchitispflanze zum Beispiel als Tee getrunken.
- Entzündungshemmend und beruhigend für die Haut – Die entzündungshemmenden Flavonglykoside, die Gamma-Linolensäure und die beruhigenden Schleimstoffe wirken reizmildernd bei Nagelbettentzündungen, Ekzemen, Schuppenflechte und anderen Hautkrankheiten, zum Beispiel als Vogelmieretee-Kompresse auf die betroffene Körperregion aufgelegt.
- Unterstützt das Bindegewebe – Die Kieselsäure beeinflusst den Hautstoffwechsel positiv und unterstützt das Bindegewebe, zum Beispiel als Suppe zubereitet.
- Antioxidative und antivirale Wirkung – Die Pflanze hat eine antioxidative Wirkung, das heißt, dass aggressive zellschädigende Sauerstoffradikale unschädlich gemacht werden. Sie entgiftet von Schwermetallen und allen möglichen anderen unerwünschten Begleitstoffen. Außerdem hat sie antivirale Eigenschaften. Ab und zu in den Salat geben – so einfach ist es gesund zu bleiben!
- Blutdruck und Cholesterin senken – Die Pflanze kann leicht erhöhten Blutdruck senken und wirkt sich positiv auf den Cholesterinspiegel aus, woran unter anderem die enthaltenen Fettalkohole beteiligt sind. Außerdem senkt Beta-Sitosterin das „schlechte“ LDL-Cholesterin, wenn Sie es zum Beispiel im Mixer mit Wasser pürieren und regelmäßig als Saft trinken.
- Appetitzügler – Vogelmiere scheint einen Appetitzügler Effekt zu besitzen, was sie für Menschen, die auf ihr Gewicht achten, interessant macht, zum Beispiel regelmäßig als Smoothie getrunken oder als Presssaft verwendet. Außerdem kurbeln wertvolle Inhaltsstoffe den Stoffwechsel an und entschlacken den Körper, somit ist sie ein wahrer Jungbrunnen.
- TCM – In der chinesischen Medizin nutzt man die Vogelmiere als kühlende Medizin bei Hauterkrankungen und bei Erschöpfungszuständen schon seit Jahrhunderten.
- Homöopathie – In der Homöopathie verwendet man die Vogelmiere bei Rheuma und Gicht.
Wesen und Botschaft der Pflanze
Hier möchte ich die Botschaft der Vogelmiere aus einem meiner Lieblingsbücher
von Ursula Stumpf „Pflanzengöttinen und ihre Heilkräuter“ zitieren:
„Wenn Du den Winter satt hast, bringe ich Dir Freude am Leben. Rieche an meinen Blättern, zerreibe sie zwischen den Fingern, kaue sie – sie werden Dich erfrischen. Ich kremple einfach meine Vogelmieren-Ärmel hoch und übernehme den Frühjahrsputz in Deinem Körper und in Deinem Gemüt. Eingefrorene Gefühle löse ich auf und bringe Unternehmungsgeist zurück. Du fühlst Dich danach wie neu und ganz leicht. Vielleicht hast Du dann Lust, mit mir zu spielen und Sonnenstrahlen zu fangen?
Du glaubst mir nicht? Du meinst, ich sehe viel zu zart aus?
Eines musst Du wissen:
Meine zarte Seite ist meine Stärke. Ich bin zwar klein, habe aber trotzdem Riesenkräfte. Ich bin so nah bei der Erde, weil sie mich wärmt und nährt. Auch nachts, denn da schaue ich mit meinem Sternenblick in den Himmel. Und hole sie auf die Erde – die Sterne.
Schau mir ganz genau in meine Blütenaugen“.
Zauberhaftes
Auch außergewöhnliche Hühner lieben das „Gartenunkraut“
Wer gerne strickt, dem fällt es bestimmt nicht schwer diese putzigen Fingerpüppchen zu fertigen und sie in die Vogelmiere zu setzen. Bestimmt essen Ihre Kinder dann dieses milde Kraut auch roh von der Hand in den Mund, wenn so niedliche Hühner ein Vorbild für sie sind.
Vogelmierekraut zum Auskleiden des Osternests
Anstatt grünes Osternestgras aus Holzwolle im Handel zu kaufen, finde ich diese nachhaltige Idee viel besser. Außerdem kann alles, was im Nestchen liegt verspeist werden – süße Leckerei und Powerfood, alles gebracht vom Osterhasen!
Ich wünsche Ihnen unendlich viel Kraft, Stärke und Liebe.
Das Sternenkraut soll Ihnen viele neue Ideen und Träume bringen. Meine Freundin, die Vogelmiere, soll für Sie das beste Beispiel dafür sein, dass alles möglich ist, weil auch in kleinen Wesen riesengroße Kräfte stecken!