Modul 3: Pflanzenporträts

Mistel

Viscum album // Mistletoe

Die Mistel hat etwas Geheimnisvolles an sich. Sie wächst auf Bäumen und ernährt sich von ihnen. Der botanische Name „Viscum“ bedeutet „Klebstoff oder Leim“, „album“ heißt „weiß“ und bezieht sich auf die weißen Beeren. Daher kommt auch die Redensart „jemanden auf den Leim gehen“ und der Ausdruck Viskose. Vor allem Vögel, wie die Misteldrossel, Mönchsgrasmücke und der Seidenschwanz mögen im Winter das schleimig klebrige Fleisch der weißen Beeren, worin der Samen steckt. Während der Mahlzeit bleibt durch diesen „Vogelschleim“ der Mistelsamen am Schnabel der Vögel kleben. Beim Schnabelputzen streichen sie ihn dann an Zweigen und Ästen der benachbarten Bäume ab. Wenn die Samen keimen, weicht die Baumrinde auf und es wächst eine Art Wurzel tief in das Holz hinein. So holt sich dieser Halbparasit Wasser und Nährstoffe aus dem Wirtsbaum, während er die übrigen Nährstoffe mit seinen immergrünen Blättern selbst produziert.

Beschreibung / Botanik

Die Römer stellten aus den klebrigen Beeren Leim her. Wenn Sie den glitschigen Polysaccharid-Schleim aus der reifen Beere ausquetschen, können Sie den Mistelsamen an jeden beliebigen Gegenstand festkleben, durch die klebrige Leimsubstanz Viscin.

Zwei grüne Keimlinge liegen im grünen Nährgewebe, umgeben von milchigem Schleim, charakteristisch für Laubbaum-Mistelbeeren.

Beschreibung / Botanik

Wenn wir in den Ländern nördlich der Alpen von „der Mistel“ sprechen, dann ist klar, dass wir Viscum album meinen, die weißbeerige Mistel. Etwa 1400 verschiedene Misteln sind mittlerweile bekannt. Sie sind vor allem in tropischen und subtropischen Gegenden der Erde beheimatet. Weil die weißbeerige Mistel hoch in den Bäumen wächst und besonders im Winter als grüne Kugel mit bis zu einem Meter Durchmesser in den laubfreien Ästen gut zu erkennen ist, sagt man, sie sei „weder Kraut noch Baum“. Sie ist unfähig in der Erde Wurzeln auszubilden, sondern bildet einen sogenannten „Senker“, der die Mistel mit dem Wirtsbaum verbindet und über den sie Wasser, Salze und zum Teil Nährstoffe bezieht.

Die Mistel gehört zur Familie der Sandelholzgewächse (Santalaceae). Die Pflanze ist zweihäusig, das heißt, es gibt weibliche und männliche Pflanzen, die auf verschiedenen Bäumen wachsen. Der Halbschmarotzer hat seinen eigenen Rhythmus und verhält sich so, als gingen ihn die Jahreszeiten nichts an. Die Vermehrung findet – konträr zu allen anderen Pflanzen – im Winter statt. Die Blütezeit ist im Februar/März und die reifen weißen Früchte trägt sie im November/Dezember. Für die Befruchtung der ein bis drei Millimeter unscheinbaren, fruchtig duftenden Blütchen sorgen vor allem Fliegen, bei zu kaltem Wetter, der Wind. Die Mistel blüht erstmals nach etwa fünf Jahren und wächst generell sehr langsam. Die großen buschigen Zweige vom Markt sind somit circa 25 bis 30 Jahre alt! Der Stängel ist immergrün, aber verholzt. Die ebenfalls immergrünen Blätter sind rau, ledrig und länglich wie eine kleine Zunge, sie schmecken bitter.

Vorkommen / Jahreszeit

Der kleine kugelige Strauch der weißen Mistel wächst in Europa und Asien auf Nadel- und Laubbäumen. Gerne siedelt sie sich in Flußtälern an, wo die Luftfeuchtigkeit höher ist. Bestimmte Baumarten werden bevorzugt von Misteln bewachsen, beispielsweise Pappel, Weide, Apfelbaum, Tanne und Robinie. Misteln, die auf Eichen wachsen, gelten als besonders wertvoll, sind aber extrem selten. Misteln gedeihen oft auf knorrigen Bäumen, die auf Strahlenkreuzungen, auf sogenannten Störstellen wachsen, und versuchen dort die Natur energetisch auszugleichen – Rutengänger können das bestätigen.

Inhaltsstoffe

In allen Pflanzteilen der Mistel stecken heilende Inhaltsstoffe, die in der Medizin, vor allem auch in der Homöopathie verwendet werden. Es sind mehr als 1.000 verschiedene Inhaltsstoffe in der Mistel zu finden. Besonders intensiv wurden die Wirkungen von Eiweißstoffen, wie den Viscotoxinen, den Glykoproteinen und den Mistellektinen, erforscht. Darüber hinaus tragen weitere Inhaltsstoffe wie Arginin (eine Aminosäure), Flavonoide (sekundäre Pflanzenstoffe) sowie ein hoher Anteil an Vitamin C zu einer immunmodulierenden und tumorhemmenden Wirkung bei. Wie bei den meisten Heilpflanzen, ist auch bei der Mistel der Gesamtextrakt als „Wirkstoff“ anzusehen. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde für ihn ein umfassenderes Wirkungsspektrum nachgewiesen, als für die isolierten Inhaltsstoffe. Immer wieder liest man, dass die Mistel giftig ist, aber wie giftig ist sie nun wirklich? Das Gemeinsame Giftinformationszentrum in Erfurt (GGIZ) beschreibt, dass die leicht giftigen Viscotoxine und Mistellektine sich in der ganzen Pflanze befinden und nur bei größeren Mengen problematisch werden können. Symptome wie Magen-Darm-Beschwerden und Kreislaufbeschwerden können vorkommen. Immer wieder wird mir von Fachleuten betätigt, dass allerdings diese als leicht toxisch geltenden Wirkstoffe bei innerlicher Einnahme vom Körper abgebaut werden, beziehungsweise im Verdauungstrakt nicht resorbiert werden.

Die Antwort auf die Frage, ob die Mistel nun giftig sei oder nicht, ist also relativ. Seit Paracelsus wissen wir, dass immer die Dosis entscheidet, ob etwas Gift ist oder nicht. Im Falle der Mistel erweitert sich dieser Gedanke um die Anwendungsart. Im direkten Umgang zum Blut oder als Injektion, kann die Mistel je nach Dosis durchaus Schaden stiften, auf der anderen Seite, unterstützt aber eine geringe gezielte Dosis die Lebensqualität von Krebspatienten enorm.

Gesundheitliche Wirkungen

Die Mistel in der traditionellen und modernen Phytotherapie

Auf Bäumen wachsend, fasziniert das Gewächs den Menschen seit Jahrtausenden. In der keltischen Medizin wurde die Mistel als Allheilmittel eingesetzt und als heilige Pflanze verehrt. Insbesondere diejenigen, die auf Eichen wuchsen, galten bei den Druiden als ein vom Himmel gesandtes Zeichen. Sie durften nur mit einer goldenen Sichel geerntet werden und nicht zu Boden fallen, denn sonst würden sie ihre besondere Wirkung einbüßen. Schon seit 2500 Jahren wird das Gewächs von uns Menschen verwendet. Heute weiß man, dass die Pflanze wirklich ein breites therapeutisches Spektrum hat. Inzwischen dürfte sie zu den am besten erforschten Heilpflanzen in der Phytotherapie gehören.

Therapeutisch werden zur Zeit die Misteln von 18 verschiedenen Wirtsbäumen genutzt – in der Krebstherapie kommen 13 Wirtsbäume zum Einsatz. Je nachdem zu welcher Jahreszeit und von welchem Wirtsbaum man Misteln verwendet, zeigen sich beispielsweise große Unterschiede in der Wirkstoffzusammensetzung.

  • Komplementäre Krebstherapie – Vor knapp 100 Jahren entdeckte Rudolph Steiner, der Begründer der Anthroposophie (alternative Heilmethode), die Mistel wieder, als eine Heilpflanze gegen Krebs. In der anthroposophischen Medizin ist es das Ziel, ressourcenorientiert vorzugehen, das heißt, es wird versucht, das Gesunde des Erkrankten anzusprechen und es zu stärken, damit dies das Kranke erkennen und heilen kann.
    Auch die pharmakologische Forschung hat sich eingehend mit dieser Pflanze beschäftigt. In ihr wurden tumorhemmende Proteine gefunden, ihre immun-stimulierende Wirkung ist bestätigt. Zubereitungen daraus greifen selektiv die Krebszellen an, ohne gesunde Zellen zu zerstören. Zugleich schützen sie gesunde Zellen vor den Schäden einer Chemo- oder Strahlentherapie.
    In der anthroposophischen Misteltherapie werden die wässrigen Extrakte, unter die Haut gespritzt, da die Misteleiweiße, einen entscheidenden Beitrag zur Wirksamkeit leisten und vom Darm nicht aufgenommen werden können.
    Die Kosten einer Misteltherapie wird von der Krankenkasse in Deutschland in der Regel übernommen. Die therapeutische Wirksamkeit dieser Behandlung ist unter Ärzten und Wissenschaftlern allerdings umstritten. Einen sicheren Beweis für den Erfolg der Misteltherapie bei Tumorerkrankungen gibt es noch nicht. Aktuelle Studien verweisen jedoch darauf, dass sich die Lebensqualität der betroffenen Patienten erheblich verbessert.
    Vor dem Beginn einer Therapie sollte diese mit dem behandelnden Arzt ausführlich besprochen werden. Eine Misteltherapie sollte immer eine individuelle Therapie sein.
  • Herzwirksam und Blutdrucksenkend – Zwar spricht jeder meist über die Krebstherapie in Zusammenhang mit der Mistel, das Haupteinsatzgebiet ist jedoch der Bluthockdruck, beziehungsweise die Regulation bei wechselndem Blutdruck. Ein Kaltauszug als Tee aus den Blättern, ein bis drei Tassen täglich getrunken, unterstützt aber auch bei Herzschwäche, Arteriosklerose, Durchblutungsstörungen, Kreislaufbeschwerden, Schwindel, Tinnitus, Migräne und Kopfschmerzen.
  • Neurologische Leiden – In der traditionellen Heilkunde ist sie das wichtigste Spasmolytikum, unter anderem zur Behandlung von neurologischen Leiden – nicht nur bei Epilepsie und Krampfleiden aller Art, sondern auch bei Melancholie und nervösen Schlafstörungen – zum Beispiel als Kapseln eingenommen.
  • Stress und Burnout – In der Volksmedizin wird sie zur Unterstützung geistiger Funktionen, zur Nervenstärkung und zur seelischen Entlastung sehr geschätzt. Sie wird als wichtiges Mittel zur Behandlung von Stresskrankheiten und dem Burnout-Syndrom eingenommen, zum Beispiel als Mistelpulver oder Saft.
  • Frauenheilkunde – Traditionell bedeutsam und in der Homöopathie als Globuli verwendet, ist der Gebrauch vor allen bei zu starken Monatsblutungen, Zysten, Myomen und bei Endometriose.
  • Entzündliche Gelenkerkrankungen – Mistelpräparate werden zur unspezifischen Reiztherapie bei Arthrose, Rheuma, Gicht, Wirbelsäulen- und Rückenbeschwerden eingesetzt. Sie reizen das Gewebe und fördern so die Durchblutung in den betroffenen Gebieten, zum Beispiel äußerlich als Umschlag mit einem starken Teeaufguß oder als Bad angewendet, beziehungsweise innerlich eingenommen als Tinktur oder Wein.

Wenig bekannt ist die gute Wirkung des Misteltees gegen Heuschnupfen, wenn er geschnupft wird, was ich jedoch noch nicht selbst ausprobiert habe.

Wesen und Botschaft der Pflanze

Die Mistel, das Heilmittel für den ganzen Menschen, vermittelt innere Ruhe und Entspannung auf der seelischen und vegetativen Ebene und Regeneration auf der organischen Ebene.

Zauberhaftes mit Mistel

Kissing under the mistletoe

Den Engländern gilt sie noch heute als das Sinnbild des wieder erwachenden Lebens. Sie nimmt bei ihnen die Stelle unseres Weihnachtsbaumes ein.
Zur Zeit der Wintersonnenwende und als Weihnachtsschmuck findet sie auch bei uns immer mehr Freunde. Paaren soll es Glück bringen, wenn sie sich unter einer Mistel küssen und das Haus wird vor Schaden bewahrt. Aus diesen Gründen sind sie häufig unter Durchgängen und Haustüren angebracht.
„No mistletoe, no luck“, besagt ein walisisches Sprichwort.